Den Philosophen Immanuel Kant haben wir als Patron gewählt, weil er ein Vertreter der Aufklärung ist, auf die wir uns stützen. Insbesondere wichtig für unser Selbstverständnis ist seine Aufforderung:


SAPERE AUDE -

Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!

                                                                           

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IMMANUEL  KANT  ( 22.04.1724–02.02.1804, Königsberg ) in Kürze:

Er stellte sich vier Fragen:  1. Was kann ich wissen?
                                          2. Was soll ich tun?
                                          3. Was darf ich hoffen?
                                          4. Was ist der Mensch?

Zu 1. Kant geht aus von der Vernunft, durch die wir zu Erkenntnissen ge­langen. Transzendentale Auffassungen über Unsterblichkeit und Gott sind prinzipiell nicht beweisbar.

Zu 2. Handeln soll der Mensch nach Maßgabe der Vernunft. Diese gibt ihm folgende Maximen:

„Handle nur nach der Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, daß sie ein allgemeines Gesetz werde.“

„Handle so, dass du die Menschheit sowohl in deiner Person, als in der Person eines jeden anderen, jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchest.“

Zu 3. Die Vernunft gibt dem Menschen keine Hoffnung auf Gott oder ein  Jenseits, auch liegt der Geschichte keine Absicht zugrunde.

„Ich mußte das Wissen aufheben, um zum Glauben Platz zu bekommen.“

Zu 4. Aufklärung ist die Bestimmung des Menschen:
 
„Habe Muth, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“

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Im Folgenden nun zwei längere Texte, einer von und einer über ihn:


1. Essay von Immanuel Kant: Was ist Aufklärung.
2. Eine Einführung in das Denken Kants

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BEANTWORTUNG DER FRAGE: WAS IST AUFKLÄRUNG ?

Berlinische Monatsschrift. Dezember-Heft 1784

 

AUFKLÄRUNG ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich eines andern zu bedienen. SAPERE AUDE ! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung.

 

Faulheit und Feigheit sind die Ursachen, warum ein so großer Teil der Menschen, nachdem sie die Natur längst von fremder Leitung freigesprochen (naturaliter maiorennes), dennoch gerne zeitlebens unmündig bleiben; und warum es anderen so leicht wird, sich zu deren Vormündern aufzuwerfen. Es ist so bequem, unmündig zu sein. Habe ich ein Buch, das für mich Verstand hat, einen Seelsorger, der für mich Gewissen hat, einen Arzt, der für mich die Diät beurteilt usw., so brauche ich mich ja nicht selbst zu bemühen. Ich habe nicht nötig zu denken, wenn ich nur bezahlen kann; andere werden das verdrießliche Geschäft schon für mich übernehmen. Daß der bei weitem größte Teil der Menschen (darunter das ganze schöne Geschlecht) den Schritt zur Mündigkeit, außer dem daß er beschwerlich ist, auch für sehr gefährlich halte, dafür sorgen schon jene Vormünder, die die Oberaufsicht über sie gütigst auf sich genommen haben. Nachdem sie ihr Hausvieh zuerst dumm gemacht haben und sorgfältig verhüteten, daß diese ruhigen Geschöpfe ja keinen Schritt außer dem Gängelwagen, darin sie sie einsperreten, wagen durften, so zeigen sie ihnen nachher die Gefahr, die ihnen drohet, wenn sie es versuchen, allein zu gehen. Nun ist diese Gefahr zwar eben so groß nicht, denn sie würden durch einigemal Fallen wohl endlich gehen lernen; allein ein Beispiel von der Art macht doch schüchtern und schreckt gemeiniglich von allen ferneren Versuchen ab.

 

Es ist also für jeden einzelnen Menschen schwer, sich aus der ihm beinahe zur Natur gewordenen Unmündigkeit herauszuarbeiten. Er hat sie sogar liebgewonnen und ist vorderhand wirklich unfähig, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen, weil man ihn niemals den Versuch davon machen ließ. Satzungen und Formeln, diese mechanischen Werkzeuge eines vernünftigen Gebrauchs oder vielmehr Mißbrauchs seiner Naturgaben, sind die Fußschellen einer immerwährenden Unmündigkeit. Wer sie auch abwürfe, würde dennoch auch über den schmalesten Graben einen nur unsicheren Sprung tun, weil er zu dergleichen freier Bewegung nicht gewöhnt ist. Daher gibt es nur wenige, denen es gelungen ist, durch eigene Bearbeitung ihres Geistes sich aus der Unmündigkeit herauszuwickeln und dennoch einen sicheren Gang zu tun.

 

Daß aber ein Publikum sich selbst aufkläre, ist eher möglich; ja es ist, wenn man ihm nur Freiheit läßt, beinahe unausbleiblich. Denn da werden sich immer einige Selbstdenkende, sogar unter den eingesetzten Vormündern des großen Haufens finden, welche, nachdem sie das Joch der Unmündigkeit selbst abgeworfen haben, den Geist einer vernünftigen Schätzung des eigenen Werts und des Berufs jedes Menschen, selbst zu denken, um sich verbreiten werden. Besonders ist hiebei: daß das Publikum, welches zuvor von ihnen unter dieses Joch gebracht worden, sie hernach selbst zwingt, darunter zu bleiben, wenn es von einigen seiner Vormünder, die selbst aller Aufklärung unfähig sind, dazu aufgewiegelt worden; so schädlich ist es, Vorurteile zu pflanzen, weil sie sich zuletzt an denen selbst rächen, die oder deren Vorgänger ihre Urheber gewesen sind. Daher kann ein Publikum nur langsam zur Aufklärung gelangen. Durch eine Revolution wird vielleicht wohl ein Abfall von persönlichem Despotism und gewinnsüchtiger oder herrschsüchtiger Bedrückung, aber niemals wahre Reform der Denkungsart zustande kommen; sondern neue Vorurteile werden, ebensowohl als die alten, zum Leitbande des gedankenlosen großen Haufens dienen.

 

Zu dieser Aufklärung aber wird nichts erfordert als Freiheit; und zwar die unschädlichste unter allem, was nur Freiheit heißen mag, nämlich die: von seiner Vernunft in allen Stücken öffentlichen Gebrauch zu machen. Nun höre ich aber von allen Seiten rufen: Räsonniert nicht! Der Offizier sagt: Räsonniert nicht, sondern exerziert! Der Finanzrat: Räsonniert nicht, sondern bezahlt! Der Geistliche: Räsonniert nicht, sondern glaubt! (Nur ein einziger Herr in der Welt sagt: Räsonniert, soviel ihr wollt und worüber ihr wollt, aber gehorcht!) Hier ist überall Einschränkung der Freiheit. Welche Einschränkung aber ist der Aufklärung hinderlich, welche nicht, sondern ihr wohl gar beförderlich? – Ich antworte: Der öffentliche Gebrauch seiner Vernunft muß jederzeit frei sein, und der allein kann Aufklärung unter Menschen zustande bringen; der Privatgebrauch derselben aber darf öfters sehr enge eingeschränkt sein, ohne doch darum den Fortschritt der Aufklärung sonderlich zu hindern. Ich verstehe aber unter dem öffentlichen Gebrauche seiner eigenen Vernunft denjenigen, den jemand als Gelehrter von ihr vor dem ganzen Publikum der Leserwelt macht. Den Privatgebrauch nenne ich denjenigen, den er in einem gewissen ihm anvertrauten bürgerlichen Posten oder Amte von seiner Vernunft machen darf. Nun ist zu manchen Geschäften, die in das Interesse des gemeinen Wesens laufen, ein gewisser Mechanism notwendig, vermittelst dessen einige Glieder des gemeinen Wesens sich bloß passiv verhalten müssen, um durch eine künstliche Einhelligkeit von der Regierung zu öffentlichen Zwecken gerichtet oder wenigstens von der Zerstörung dieser Zwecke abgehalten zu werden. Hier ist es nun freilich nicht erlaubt zu räsonnieren; sondern man muß gehorchen. Sofern sich aber dieser Teil der Maschine zugleich als Glied eines ganzen gemeinen Wesens, ja sogar der Weltbürgergesellschaft ansieht, mithin in der Qualität eines Gelehrten, der sich an ein Publikum im eigentlichen Verstande durch Schriften wendet, kann er allerdings räsonnieren, ohne daß dadurch die Geschäfte leiden, zu denen er zum Teile als passives Glied angesetzt ist. So würde es sehr verderblich sein, wenn ein Offizier, dem von seinen Oberen etwas anbefohlen wird, im Dienste über die Zweckmäßigkeit oder Nützlichkeit dieses Befehls laut vernünfteln wollte; er muß gehorchen. Es kann ihm aber billigermaßen nicht verwehrt werden, als Gelehrter über die Fehler im Kriegesdienste Anmerkungen zu machen und diese seinem Publikum zur Beurteilung vorzulegen. Der Bürger kann sich nicht weigern, die ihm auferlegten Abgaben zu leisten; sogar kann ein vorwitziger Tadel solcher Auflagen, wenn sie von ihm geleistet werden sollen, als ein Skandal, (das allgemeine Widersetzlichkeiten veranlassen könnte), bestraft werden. Ebenderselbe handelt demohngeachtet der Pflicht eines Bürgers nicht entgegen, wenn er als Gelehrter wider die Unschicklichkeit oder auch Ungerechtigkeit solcher Ausschreibungen öffentlich seine Gedanken äußert. Ebenso ist ein Geistlicher verbunden, seinen Katechismusschülern und seiner Gemeine nach dem Symbol der Kirche, der er dient, seinen Vortrag zu tun, denn er ist auf diese Bedingung angenommen worden. Aber als Gelehrter hat er volle Freiheit, ja sogar den Beruf dazu, alle seine sorgfältig geprüften und wohlmeinenden Gedanken über das Fehlerhafte in jenem Symbol und Vorschläge wegen besserer Einrichtung des Religions- und Kirchenwesens dem Publikum mitzuteilen. Es ist hiebei auch nichts, was dem Gewissen zur Last gelegt werden könnte. Denn was er zufolge seines Amts als Geschäftträger der Kirche lehrt, das stellt er als etwas vor, in Ansehung dessen er nicht freie Gewalt hat, nach eigenem Gutdünken zu lehren, sondern das er nach Vorschrift und im Namen eines andern vorzutragen angestellt ist. Er wird sagen: unsere Kirche lehrt dieses oder jenes; das sind die Beweisgründe, deren sie sich bedient. Er zieht alsdann allen praktischen Nutzen für seine Gemeinde aus Satzungen, die er selbst nicht mit voller Überzeugung unterschreiben würde, zu deren Vortrag er sich gleichwohl anheischig machen kann, weil es doch nicht ganz unmöglich ist, daß darin Wahrheit verborgen läge, auf alle Fälle aber wenigstens doch nichts der innern Religion Widersprechendes darin angetroffen wird. Denn glaubte er das letztere darin zu finden, so würde er sein Amt mit Gewissen nicht verwalten können; er müßte es niederlegen. Der Gebrauch also, den ein angestellter Lehrer von seiner Vernunft vor seiner Gemeinde macht, ist bloß ein Privatgebrauch, weil diese immer nur eine häusliche, obzwar noch so große Versammlung ist; und in Ansehung dessen ist er als Priester nicht frei und darf es auch nicht sein, weil er einen fremden Auftrag ausrichtet. Dagegen als Gelehrter, der durch Schriften zum eigentlichen Publikum, nämlich der Welt spricht, mithin der Geistliche im öffentlichen Gebrauche seiner Vernunft, genießt einer uneingeschränkten Freiheit, sich seiner eigenen Vernunft zu bedienen und in seiner eigenen Person zu sprechen. Denn daß die Vormünder des Volks (in geistlichen Dingen) selbst wieder unmündig sein sollen, ist eine Ungereimtheit, die auf Verewigung der Ungereimtheiten hinausläuft.

 

Aber sollte nicht eine Gesellschaft von Geistlichen, etwa eine Kirchenversammlung oder eine ehrwürdige Classis (wie sie sich unter den Holländern selbst nennt), berechtigt sein, sich eidlich auf ein gewisses unveränderliches Symbol zu verpflichten, um so eine unaufhörliche Obervormundschaft über jedes ihrer Glieder und vermittelst ihrer über das Volk zu führen und diese so gar zu verewigen? Ich sage: das ist ganz unmöglich. Ein solcher Kontrakt, der auf immer alle weitere Aufklärung vom Menschengeschlechte abzuhalten geschlossen würde, ist schlechterdings null und nichtig; und sollte er auch durch die oberste Gewalt, durch Reichstage und die feierlichsten Friedensschlüsse bestätigt sein. Ein Zeitalter kann sich nicht verbünden und darauf verschwören, das folgende in einen Zustand zu setzen, darin es ihm unmöglich werden muß, seine (vornehmlich so sehr angelegentliche) Erkenntnisse zu erweitern, von Irrtümern zu reinigen und überhaupt in der Aufklärung weiterzuschreiten. Das wäre ein Verbrechen wider die menschliche Natur, deren ursprüngliche Bestimmung gerade in diesem Fortschreiten besteht; und die Nachkommen sind also vollkommen dazu berechtigt, jene Beschlüsse, als unbefugter und frevelhafter Weise genommen, zu verwerfen. Der Probierstein alles dessen, was über ein Volk als Gesetz beschlossen werden kann, liegt in der Frage: ob ein Volk sich selbst wohl ein solches Gesetz auferlegen könnte? Nun wäre dieses wohl, gleichsam in der Erwartung eines bessern, auf eine bestimmte kurze Zeit möglich, um eine gewisse Ordnung einzuführen: indem man es zugleich jedem der Bürger, vornehmlich dem Geistlichen, frei ließe, in der Qualität eines Gelehrten öffentlich, d. i. durch Schriften, über das Fehlerhafte der dermaligen Einrichtung seine Anmerkungen zu machen, indessen die eingeführte Ordnung noch immer fortdauerte, bis die Einsicht in die Beschaffenheit dieser Sachen öffentlich so weit gekommen und bewähret worden, daß sie durch Vereinigung ihrer Stimmen (wenngleich nicht aller) einen Vorschlag vor den Thron bringen könnte, um diejenigen Gemeinden in Schutz zu nehmen, die sich etwa nach ihren Begriffen der besseren Einsicht zu einer veränderten Religionseinrichtung geeinigt hätten, ohne doch diejenigen zu hindern, die es beim alten wollten bewenden lassen. Aber auf eine beharrliche, von niemanden öffentlich zu bezweifelnde Religionsverfassung auch nur binnen der Lebensdauer eines Menschen sich zu einigen, und dadurch einen Zeitraum in dem Fortgange der Menschheit zur Verbesserung gleichsam zu vernichten und fruchtlos, dadurch aber wohl gar der Nachkommenschaft nachteilig zu machen ist schlechterdings unerlaubt. Ein Mensch kann zwar für seine Person und auch alsdann nur auf einige Zeit in dem, was ihm zu wissen obliegt, die Aufklärung aufschieben; aber auf sie Verzicht zu tun, es sei für seine Person, mehr aber noch für die Nachkommenschaft, heißt die heiligen Rechte der Menschheit verletzen und mit Füßen treten. Was aber nicht einmal ein Volk über sich selbst beschließen darf, das darf noch weniger ein Monarch über das Volk beschließen; denn sein gesetzgebendes Ansehen beruht eben darauf, daß er den gesamten Volkswillen in dem seinigen vereinigt. Wenn er nur darauf sieht, daß alle wahre oder vermeinte Verbesserung mit der bürgerlichen Ordnung zusammenbestehe, so kann er seine Untertanen übrigens nur selbst machen lassen, was sie um ihres Seelenheils willen zu tun nötig finden; das geht ihn nichts an, wohl aber zu verhüten, daß nicht einer den andern gewalttätig hindere, an der Bestimmung und Beförderung desselben nach allem seinen Vermögen zu arbeiten. Es tut selbst seiner Majestät Abbruch, wenn er sich hierin mischt, indem er die Schriften, wodurch seine Untertanen ihre Einsichten ins reine zu bringen suchen, seiner Regierungsaufsicht würdigt, sowohl wenn er dieses aus eigener höchsten Einsicht tut, wo er sich dem Vorwurfe aussetzt: Caesar non est supra grammaticos, als auch und noch weit mehr, wenn er seine oberste Gewalt soweit erniedrigt, den geistlichen Despotism einiger Tyrannen in seinem Staate gegen seine übrigen Untertanen zu unterstützen.

 

Wenn denn nun gefragt wird: leben wir jetzt in einem aufgeklärten Zeitalter? so ist die Antwort: Nein, aber wohl in einem Zeitalter der Aufklärung. Daß die Menschen, wie die Sachen jetzt stehen, im ganzen genommen, schon imstande wären oder darin auch nur gesetzt werden könnten, in Religionsdingen sich ihres eigenen Verstandes ohne Leitung eines andern sicher und gut zu bedienen, daran fehlt noch sehr viel. Allein, daß jetzt ihnen doch das Feld geöffnet wird, sich dahin frei zu bearbeiten und die Hindernisse der allgemeinen Aufklärung oder des Ausganges aus ihrer selbstverschuldeten Unmündigkeit allmählich weniger werden, davon haben wir doch deutliche Anzeigen. In diesem Betracht ist dieses Zeitalter das Zeitalter der Aufklärung oder das Jahrhundert FRIEDERICHS.

 

Ein Fürst, der es seiner nicht unwürdig findet zu sagen, daß er es für Pflicht halte, in Religionsdingen den Menschen nichts vorzuschreiben, sondern ihnen darin volle Freiheit zu lassen, der also selbst den hochmütigen Namen der Toleranz von sich ablehnt, ist selbst aufgeklärt und verdient von der dankbaren Welt und Nachwelt als derjenige gepriesen zu werden, der zuerst das menschliche Geschlecht der Unmündigkeit, wenigsten von seiten der Regierung, entschlug und jedem frei ließ, sich in allem, was Gewissensangelegenheit ist, seiner eigenen Vernunft zu bedienen. Unter ihm dürfen verehrungswürdige Geistliche, unbeschadet ihrer Amtspflicht, ihre vom angenommenen Symbol hier oder da abweichenden Urteile und Einsichten in der Qualität der Gelehrten frei und öffentlich der Welt zur Prüfung darlegen; noch mehr aber jeder andere, der durch keine Amtspflicht eingeschränkt ist. Dieser Geist der Freiheit breitet sich auch außerhalb aus, selbst da, wo er mit äußeren Hindernissen einer sich selbst mißverstehenden Regierung zu ringen hat. Denn es leuchtet dieser doch ein Beispiel vor, daß bei Freiheit für die öffentliche Ruhe und Einigkeit des gemeinen Wesens nicht das mindeste zu besorgen sei. Die Menschen arbeiten sich von selbst nach und nach aus der Rohigkeit heraus, wenn man nur nicht absichtlich künstelt, um sie darin zu erhalten.

 

Ich habe den Hauptpunkt der Aufklärung, d. i. des Ausganges der Menschen aus ihrer selbstverschuldeten Unmündigkeit, vorzüglich in Religionssachen gesetzt, weil in Ansehung der Künste und Wissenschaften unsere Beherrscher kein Interesse haben, den Vormund über ihre Untertanen zu spielen, überdem auch jene Unmündigkeit, so wie die schädlichste, also auch die entehrendste unter allen ist. Aber die Denkungsart eines Staatsoberhaupts, der die erstere begünstigt, geht noch weiter und sieht ein: daß selbst in Ansehung seiner Gesetzgebung es ohne Gefahr sei, seinen Untertanen zu erlauben, von ihrer eigenen Vernunft öffentlichen Gebrauch zu machen und ihre Gedanken über eine bessere Abfassung derselben, sogar mit einer freimütigen Kritik der schon gegebenen, der Welt öffentlich vorzulegen; davon wir ein glänzendes Beispiel haben, wodurch noch kein Monarch demjenigen vorging, welchen wir verehren.

 

Aber auch nur derjenige, der, selbst aufgeklärt, sich nicht vor Schatten fürchtet, zugleich aber ein wohldiszipliniertes zahlreiches Heer zum Bürgen der öffentlichen Ruhe zur Hand hat, – kann das sagen, was ein Freistaat nicht wagen darf: Räsonniert, soviel ihr wollt, und worüber ihr wollt; nur gehorcht! So zeigt sich hier ein befremdlicher, nicht erwarteter Gang menschlicher Dinge; sowie auch sonst, wenn man ihn im großen betrachtet, darin fast alles paradox ist. Ein größerer Grad bürgerlicher Freiheit scheint der Freiheit des Geistes des Volks vorteilhaft und setzt ihr doch unübersteigliche Schranken; ein Grad weniger von jener verschafft hingegen diesem Raum, sich nach allem seinen Vermögen auszubreiten. Wenn denn die Natur unter dieser harten Hülle den Keim, für den sie am zärtlichsten sorgt, nämlich den Hang und Beruf zum freien Denken, ausgewickelt hat: so wirkt dieser allmählich zurück auf die Sinnesart des Volks, (wodurch dies der Freiheit zu handeln nach und nach fähiger wird), und endlich auch sogar auf die Grundsätze der Regierung, die es ihr selbst zuträglich findet, den Menschen, der nun mehr als Maschine ist, seiner Würde gemäß zu behandeln.¹

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Unter dem Link  http://www.quod-est-dicendum.org/Persoenlichkeiten_von_gestern_und_heute/kant-einfuehrung.htm  findet man einen Artikel von Maria Schwarz:

 

 

IMMANUEL KANT  (1724-1804)

Eine erste Einführung in sein Denken

 

Kant. Was will man "Neues" über Immanuel Kant schreiben? Während das Lebenswerk manch eines anderen Philosophen noch nicht einmal vollständig ediert ist, ließe sich mit den zahlreichen Kant-Bibliographien, d.h. Verzeichnissen von Schriften über die Kantische Philosophie, wohl mühelos ein Regal füllen. Auch ich werde an dieser Stelle nicht aufregend "Neues" schreiben, sondern eine kleine Einführung in das Denken Kants, die weniger für Wissenschaftler und Kantforscher gedacht ist (diese bitte ich zum letzten Satz des Artikels überzugehen :-) ) als für Menschen, die sich noch nicht viel mit Kant beschäftigt haben und einen allerersten Zugang zu seiner Philosophie suchen.

 

Zunächst ein paar biographische Hinweise: Der hartnäckige Mythos des einsamen, stets in Königsberg verbleibenden Immanuel mit seinem - knapp an der Zwangsneurose vorbei, konstatiert der moderne Psychologe - akribisch durchgeplanten Tagesablauf wird glücklicherweise langsam, aber stetig aufgeweicht. Wer etwa Manfred Kühns Kant-Biographie (2001, dt. 2003) zur Hand nimmt, wird darüber belehrt, dass das geschilderte Bild allenfalls auf den alternden Kant zutrifft, auch dieser beispielsweise die "Kritik der reinen Vernunft" Satz für Satz mit seinem Freund Green durchdiskutierte und allgemein ein reges Sozialleben pflegte. Der treue Diener Lampe entpuppt sich, so ein weiterer Mythos, keineswegs als gute Seele, sondern machte dem Professor, je älter dieser wurde, anscheinend immer mehr das Leben zur Hölle. Schließlich, man denke sich, musste Kant die idyllische Königsberger Heimat während seiner Zeit als Hauslehrer allein schon aus beruflichen Gründen des öfteren verlassen.
Woher stammt aber dieser Mythos, den ältere Biographien (Vorländer, Borowski, Jachmann, Wasianski u.a.) nicht so konsequent zerstreuen wie Kühn es in jüngster Zeit getan hat? Die Antwort wurde schon gegeben: der alte Kant steht im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, der Kant, der in den 1780er und 90er Jahren in teilweise atemberaubender Geschwindigkeit die drei "Kritiken" (abgekürzt KrV, KpV, KdU) und zahlreiche andere Schriften im Bereich der theoretischen und praktischen Philosophie verfasst hat.

 

Die theoretische Philosophie: Grenzen der Vernunft

 

Anfang der 1780er, als Kant schon fast 60 Jahre alt ist, brechen Einsichten auf, die vorher bloß latent vorhanden waren. Die These vom klaren Bruch zwischen "kritischer" und "vorkritischer" Periode ist in der Forschung, die sich zunehmend der vorkritischen Schriften (1747-1777) annimmt, zwar nicht unumstritten. Vieles spricht jedoch nach wie vor für die Annahme einer solchen Zäsur, wobei Kants Erkenntnisse freilich auch dann nicht, gleich einer Eingebung, aus dem Nichts entspringen, sondern gründlicher, systematischer Bemühung und konsequenter Denkarbeit entstammen.

 

Kant unternimmt in der "Kritik der reinen Vernunft" ein eigentlich wahnwitziges, ehrgeiziges Projekt: Er sucht die Frage zu beantworten, was wir wissen können - die erste seiner berühmten drei Fragen: "Was kann ich wissen?", "Was soll ich tun?", "Was darf ich hoffen?", die zusammenfassend in der vierten Frage gipfeln: "Was ist der Mensch?". Vier Fragen, die sich in dieser Form übrigens erst in Kants "Logik" (AA IX, 25) finden, einer 1800 von G.B. Jäsche herausgegebenen, auf Vorlesungen basierenden Spätschrift.


Das Wort "Kritik" im Titel seines theoretischen Hauptwerks ist im Sinne von "Untersuchung/Prüfung" zu verstehen. Kant untersucht, nur mit Hilfe des Denkvermögens, das Denkvermögen selbst. Was ist unsere Vernunft zu leisten imstande? Was kann sie erkennen und wo stößt sie an Grenzen? Die transzendentale Methode, die Kant zur Klärung dieser Fragen anwendet, besteht darin, immer weiter zurückzufragen, auf die "Bedingungen der Möglichkeit" - z.B. von Erfahrung, z.B. von Erkenntnis. Solche ermöglichenden Bedingungen, z.B. ein grundlegendes Verständnis von Raum und Zeit, müssen a priori, d.h. vorgängig zur Erfahrung, vorhanden sein. In außerordentlich langen, komplizierten Sätzen, die viele Relativpronomen enthalten und auch - so der Chor der Forscher, die nahezu jeden einzelnen von ihnen kommentiert haben - nicht immer vollkommen logisch aufeinander folgen, gräbt sich die "Kritik der reinen Vernunft" ihren Weg. Wir erfahren, dass durchaus ein Unterschied zwischen Verstand und Vernunft besteht, wofür die Kategorien da sind, welche, und wieviele es davon gibt (12, nicht 10 wie bei Aristoteles) und letztlich auch ein wichtiges Fazit, das bereits im ersten Satz der Vorrede zur ersten Auflage der KrV vorweggenommen wird:

"Die menschliche Vernunft hat das besondere Schicksal in einer Gattung ihrer Erkenntnisse: daß sie durch Fragen belästigt wird, die sie nicht abweisen kann, denn sie sind ihr durch die Natur der Vernunft selbst aufgegeben, die sie aber auch nicht beantworten kann, denn sie übersteigen alles Vermögen der menschlichen Vernunft." (KrV A VII)

 

Die Vernunft stößt an ihre Grenzen, wenn es um die Beantwortung der "klassischen" Fragen der Metaphysik geht: der Frage nach Gott, nach der Welt und nach der Seele. Es macht den Anschein, als wäre sie - was mit ihrer Abhängigkeit von den durch Raum und Zeit strukturierten Anschauungen zusammenhängt - nicht dazu geschaffen, gerade diese großen Fragen, die sich ihr zudem so aufdrängen, dass sie sie "nicht abweisen kann", zu beantworten.

Was ist das Großartige an dieser Einsicht, die im Verlauf der Philosophiegeschichte, angefangen bei den antiken Skeptikern, doch eigentlich immer mal wieder formuliert wurde? Wie in dieser Einführung nur angedeutet werden kann, ist es nicht eigentlich die geschilderte Aporie, sondern die Begründung dafür bzw. der Weg dorthin: Kants gesamte Erkenntnistheorie selbst.
Die "kopernikanische Wende", die in der theoretischen Philosophie Kants stattfindet, besteht in der Einsicht, dass das Subjekt, d.h. der erkennende Mensch, die Erkenntnis mitgestaltet, ja mehr noch, sie erst konstituiert. Das Problem ist daher ein viel grundlegenderes als etwa das des Scheiterns an bestimmten, einzelnen Erkenntnissen. Es gibt vielmehr überhaupt keine "objektiven" Erkenntnisse, weil es keine objektive Wirklichkeit gibt. Es gibt keine schlicht vorhandenen Gegenstände, deren Wesen nur noch zu erkennen wäre. Die Welt besitzt keine vernünftige Struktur (metaphysischer Rationalismus), sondern erscheint uns zunächst als Chaos ungeordneter Sinneseindrücke, ein Chaos, in das erst unsere eigene, menschliche Vernunft ordnend eingreift. Andererseits sind Sinneseindrücke aber auch nicht die einzige Quelle der Erkenntnis (Empirismus, Sensualismus). Kant vermittelt, und darin besteht die Leistung der "Kritik der reinen Vernunft", überzeugend zwischen Rationalismus (z.B. C. Wolff) und Empirismus (z.B. D. Hume) als den zwei vorherrschenden erkenntnistheoretischen Strömungen seiner Zeit.

 

Kants praktische Philosophie: Das Faktum der Vernunft

 

Zurück zur Aporie, zu den Grenzen der Vernunft. Wozu ist die Vernunft dann da, wenn nicht, um Antworten auf metaphysische Fragen zu geben? Hier kommt die zweite philosophische Frage Kants ins Spiel: Was soll ich, was sollen wir tun?
In der "Grundlegung zur Metaphysik der Sitten", die entgegen ihres Titels keine "Grundlegung" im Sinne einer besonders einfachen, grundlegenden Schrift ist - im Gegenteil nimmt Kant hier das Schwierige, "das Subtile" (GMS 391/2), wie er schreibt, vorweg - wird nach dem "obersten Prinzip der Moralität" gefragt. Kant erfindet dieses Prinzip nicht, er konstruiert es nicht, ja, man kann nicht einmal von einer Entdeckung des kategorischen Imperativs sprechen. Der kategorische Imperativ ist lediglich die Formulierung eines Prinzips, das nach Kant jedes Kind, freilich ohne sich dessen bewusst zu sein, anwendet, wenn es sich überlegt, wie es handeln soll. In einer seiner vielen Formeln lautet es:

"[H]andle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, daß sie ein allgemeines Gesetz werde" (GMS 421)

 

Wie unschwer zu erkennen ist, handelt es sich bei diesem Prinzip um einen Imperativ, um den sprachlichen Ausdruck eines Sollens. Dass der Imperativ "kategorisch" gilt, meint, dass er unter jeder Bedingung, in jeder möglichen Situation gültig ist. Wie ist die Anwendung des kategorischen Imperativs nun genauer zu begreifen?


Kant geht in seiner Handlungstheorie davon aus, dass wir stets im Bewusstsein verschiedener Imperative handeln. Wenn wir vernünftig überlegen, was wir tun wollen, wird uns in Form bestimmter, imperativischer Sätze gleichzeitig bewusst, was wir tun sollten. Ein solcher Imperativ könnte z.B. konkret lauten "Wenn du in Geldnot bist, so raube jemanden aus!" Durch unsere Entscheidung machen wir uns diese - vorher bloß als Wunsch oder Vorschlag vorhandenen - Imperative zu eigen. Sie werden dann zu Grundsätzen unseres Willens (bzw., so differenziert Kant später in der "Metaphysik der Sitten", unserer "Willkür"). Diese subjektiven Grundsätze nennt Kant "Maximen". Am Beispiel: Falls ich mich aufgrund meiner Geldnot dafür entscheide, hier und jetzt jemanden auszurauben, stimme ich mit dieser Entscheidung gleichzeitig dem situationsübergreifenden Grundsatz (der Maxime) zu: "Immer, wenn ich in Geldnot bin, will ich jemanden ausrauben."

Und eben solche Maximen müssen anhand des kategorischen Imperativs überprüft werden, der dem Menschen als "Faktum der Vernunft" stets neben bzw., vielleicht treffender, "über" allen anderen Imperativen bewusst ist. Er spiegelt das Bewusstsein der sozialen Dimension unseres Handelns wieder, das Bewusstsein des Wertes anderer Menschen. Ich sollte - und eben darin besteht der oft missverstandene Kantische Begriff der "Pflicht" - bei jeder Handlung überprüfen, ob ich die ihr entsprechende Maxime für jeden beliebigen Menschen, in jeder beliebigen Situation und damit unabhängig von einem eventuellen egoistischen Interesse, verallgemeinern kann. Am Beispiel: Kann ich ein Gesetz wollen der Art "Immer, wenn jemand in Geldnot ist, darf er jemand anderen ausrauben"? Kant würde diese Frage verneinen - es wäre unvernünftig, ein solches Gesetz zu wollen. In der Fähigkeit, unabhängig von noch so starken inneren und äußeren Widerständen etwas nur aus Vernunftgründen zu tun (oder zu unterlassen), weil man sich im Bewusstsein des kategorischen Imperativs dafür (oder dagegen) entscheidet, besteht nach Kant die menschliche Freiheit.

 

Weil es bei der "allgemeinen Gesetzgebung" letztlich immer um die Menschen geht, für die diese Gesetzgebung gilt, kann der kategorische Imperativ auch in anderer Form ausgedrückt werden:

 

"Handle so, daß du die Menschheit sowohl in deiner Person, als in der Person eines jeden andern jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchst." (GMS 429)

 

Alle Handlungen, die Menschen in der Weise instrumentalisieren, dass diese sie nicht wollen können, sind moralisch ausgeschlossen. Darunter fallen auch sämtliche Lügen, weil Menschen mit Hilfe der Lüge zu etwas gebracht werden, was sie selbst nicht frei wollen können. Auch der jeweilige Handelnde selbst kann unmoralische Handlungen nicht im tiefsten Sinne wollen, weil sie dem Kategorischen Imperativ, der ja Prinzip seines eigenen Willens, Prinzip seiner praktischen Vernunft ist, widerstreiten.

 

Natürlich werfen Kants Handlungstheorie, die Interpretation seiner Ethik und insbesondere das hier skizzierte Anwendungsverfahren des kategorischen Imperativs eine Fülle von Fragen auf. Einige Interpreten sind z.B. der Meinung, dass Kants Ethik nur dann funktioniert, wenn man den Begriff der Maxime richtig bestimmt. Einen kleinen Wegweiser durch diese Diskussion will mein Buch "Der Begriff der Maxime bei Kant" (s. unten) bieten.

 

Über die Frage, unter welchen Bedingungen die menschliche Existenz sinnvoll ist, kommt Kant dann schließlich in der "Zweiten Kritik", der "Kritik der praktischen Vernunft", wieder auf die - leicht anders gefassten - metaphysischen Fragen zu sprechen, die in der "Kritik der reinen Vernunft" nicht beantwortet werden konnten. Gott, Freiheit und die Unsterblichkeit der Seele können zwar theoretisch nicht bewiesen, müssen aber zumindest in praktischer Hinsicht als Postulate angenommen werden. Denn erst unter diesen Annahmen werden das Bewusstsein des kategorischen Imperativs und die Ausrichtung unserer Existenz auf das "Höchste Gut" überhaupt sinnvoll und verständlich. Die dritte Frage Kants "Was darf ich hoffen?" wird an dieser Stelle der KpV, und nicht - wie man vermuten könnte - in der Religionsschrift, beantwortet.

 

Kants theoretische wie auch seine praktische Philosophie werden ergänzt, weiter ausgebaut und angewendet in der sogenannten "Dritten Kritik", der "Kritik der Urteilskraft" (1790), der Schrift "Zum ewigen Frieden" (1795), in der "Metaphysik der Sitten" (1797/98), der "Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft", der "Anthropologie in pragmatischer Hinsicht" (1798) und anderen Schriften. Vor einiger Zeit wurde die "Akademie-Ausgabe" der Schriften Kants (abgekürzt AA), nach der meist zitiert wird, auch durch Vorlesungsmitschriften seiner Schüler ergänzt. Sie sind ebenfalls interessant zu lesen, weil sie Kant nochmals von einer anderen Seite darstellen: als engagierten Lehrer, der komplizierte Gedankengänge durch eine Fülle von Beispielen erläutert und mitunter auch Witze zum Besten gibt.

 

Abschließend habe ich einen -bewusst minimalistisch gehaltenen - Kant-Leseplan mit Literaturhinweisen erstellt, der eine Hilfe zur weiteren Beschäftigung mit der theoretischen wie auch praktischen Philosophie Kants sein soll.

 

Kant-Leseplan und Literaturhinweise

 

Werkausgaben, Lexikon und Biographie

 

Neben der gut zitierbaren, da mit Zeilennummern versehenen, Akademie-Ausgabe:
Immanuel Kant: Kant's gesammelte Schriften, hg. v. der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 1900ff.


wird vor allem die sogenannte "Weischedel-Ausgabe" verwendet:
Wilhelm Weischedel (Hg.): Immanuel Kant. Werke in 12 Bänden, Frankfurt a.M. 2005.

 

Unverzichtbar für die Klärung einzelner Begriffe bei Kant ist nach wie vor das Kant-Lexikon von Eisler:
Rudolf Eisler: Kant Lexikon, Hildesheim u.a. 1994.


Ein neues, auf drei Bände angelegtes Kant-Lexikon ist derzeit vom Verlag Walter de Gruyter geplant.

 

Für biographische Details hilfreich und zudem unterhaltsam ist die anfangs erwähnte Biographie von Manfred Kühn: Kant. Eine Biographie, München 2003.

 

Internethinweise

 

Link zum umfangreichen Marburger Kant-Archiv.

 

Theoretische Philosophie

 

Die Grundgedanken der "Kritik der reinen Vernunft" finden sich auch in der wesentlich kürzeren Schrift "Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik, die als Wissenschaft wird auftreten können" (1783). Wer sich gleich an die Lektüre der "Kritik der reinen Vernunft" wagen will, beginnt sinnvollerweise mit der - von der ersten Auflage (1781) teilweise verschiedenen - zweiten Auflage des Werks (1787). Als allererster Einstieg sei dazu das Buch von Ralf Ludwig: Kant für Anfänger. Die Kritik der reinen Vernunft. Eine Lese-Einführung, München 1995, empfohlen.

 

Praktische Philosophie

 

Kants praktische Philosophie lässt sich am besten von der - wie erwähnt leider anspruchsvollen - "Grundlegung zur Metaphysik der Sitten" aus erschließen. Dann kann zur Vertiefung und vor allem, um die Postulatenlehre zu verstehen, die "Kritik der praktischen Vernunft" zur Hand genommen werden.


Wer nur diese beiden Schriften kennt, in denen Kant seine Begriffe methodisch scharf herausarbeitet, erhält allerdings u.U. den Eindruck einer allzu rigoristischen, schroffen Ethik. Das dort dargestellte ethische Grundgerüst wäre jedenfalls noch durch die Lektüre der "Metaphysik der Sitten", später dann durch die "Anthropologie in pragmatischer Hinsicht" und den für die Ethik sehr wichtigen ersten Teil der "Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft" mit Leben zu füllen und zu ergänzen.

 

Als Standardkommentare nenne ich an dieser Stelle nur:

 

- D. Schönecker, A.W. Wood: Kants "Grundlegung zur Metaphysik der Sitten". Ein einführender Kommentar, Paderborn 2002. (Zur GMS)

- L.W. Beck: Kants "Kritik der praktischen Vernunft", Stuttgart 1995. (Zur KpV)

- H.J. Paton: Der kategorische Imperativ, Berlin 1962. (Zu Kants Ethik allgemein)

Wer in dieser Einführung den wissenschaftlichen Ton vermisst hat, kann außerdem gerne mein eigenes Buch (überarb. und erw. Magisterarbeit) zu Kants Ethik lesen: Maria Schwartz: Der Begriff der Maxime bei Kant. Eine Untersuchung des Maximenbegriffs in Kants praktischer Philosophie, Münster/Berlin 2006.

M a r i a   S c h w a r t z,   M ü n c h e n